Im Interview erläutern Sven Franke, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Förder- und Lagerwesen (FLW) an der Technischen Universität Dortmund und Dennis Lünsch, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer Institut für Materialfluss und Logistik (IML), welches assoziierter Partner für das Projekt ist, das Vorhaben.
Worum geht es bei dem Forschungsprojekt M2X?
Sven Franke:
Das Projekt M2X, also „Maschine-to-x“ soll eine Schnittstellen-Definition im FTS-Kontext liefern. Dafür haben wir uns als Vorbild die VDA 5050 genommen und möchten hier die fehlenden Punkte ergänzen und langfristig erweitern. Denn ein Fahrerloses Transportsystem (FTS) interagiert mit verschiedensten Dingen, wie bspw. mit der Auftragserzeugung aus dem Warehouse-Management-System (WMS) oder ERP-System oder auch dem Lastwechsel, also der Übergabe einer Last zwischen Fahrzeug und einer Station oder Hochregallager. Auch in der Interaktion mit der Peripherie gibt es Schnittstellen, wie zum Beispiel Türe, Tore, Aufzüge, Signale oder Verkehrszeichen. Das sind alles Schnittstellen, die im Industriealltag sehr oft vorkommen, jedoch nicht definiert sind. Hier möchten wir eine öffentliche Schnittstellenspezifikation von standardisierten Datenmodellen und die Beschreibung von Interaktionsabläufen, Middleware-neutral mit breiter Anwendbarkeit erarbeiten.
Wie ist das Projekt überhaupt zustande gekommen?
Dennis Lünsch: Initiiert hat es der VDMA-Fachverband Fördertechnik und Intralogistik und hier ganz konkret der Arbeitskreis M2X Communication. Mit der VDA 5050 sind auch die anderen Schnittstellen für mobile Roboter ins Blickfeld gerückt, die eben bisher nicht spezifiziert sind und deshalb entschied man sich hier, das mit einem Forschungsprojekt erarbeiten zu lassen.
Warum ist das Thema „Schnittstellen-Offenheit“ aus eurer Sicht so wichtig?
Sven Franke:
Das ist ein multifaktorielles Problem oder Anliegen. Die Industrie hat den Bedarf nach mehr Automatisierung, sei es durch Fachkräftemangel oder durch ein erhöhtes Auftragsvolumen. Gleichzeitig ist die Automatisierung mit Integrationsaufwand und entsprechenden Kosten verbunden. Wenn man ein FTS mit Leitsteuerung implementieren möchte, ist man aktuell oft noch sehr herstellerabhängig und es braucht viele Anpassungen, um das System den individuellen Anforderungen anzupassen.
Hier kann ein Open-Source-Ansatz, wie mit unserem M2X-Projekt sinnvoll sein. Denn die individuellen Gegebenheiten haben dennoch immer einen gleichen Kern und für den möchten wir eine standardisierte Möglichkeit geben, den Aufwand für ein Automatisierungsprojekt zu senken.
Dennis Lünsch: Um das noch zu ergänzen: der Integrationsaufwand ist ein enormer Kostentreiber, weswegen es heute oft noch den großen Unternehmen vorbehalten ist, Automatisierungsprojekte umzusetzen. Um das Ganze in den Mittelstand zu holen, muss man den kostentreibenden Integrationsaufwand minimieren und dafür braucht es eine Standardisierung.
Wie sehen die nächsten Schritte aus? Welche Schnittstelle/n schaut ihr euch als erstes an und warum?
Dennis Lünsch:
Im ersten Arbeitsschritt identifizieren wir die logistischen Prozesse und Gewerke, die im FTS-Kontext aufkommen und erstellen eine Anforderungsanalyse. Wichtig dabei ist, wir erstellen hier die Grundarbeiten und beziehen dann direkt unsere Partner ein, also den projektbegleitenden Ausschuss und den Arbeitskreis M2X Communication. Das Ganze findet also in einem iterativen Prozess statt, in dem wir die Vorschläge erarbeiten, uns dafür das Feedback einholen und dieses dann direkt in den aktuellen Arbeitsstand einarbeiten und das wiederholt sich dann Runde um Runde.
Zu den Schnittstellen haben wir in beiden Kreisen Abfragen durchgeführt, wo der größte Bedarf gesehen wird. Im Ergebnis waren das vor allem die Thematik Lastwechsel sowie Auftragsvergabe.
Sven Franke:
Diesen aktuellen Stand veröffentlichen wir direkt auf GitHub, so dass wir zum projektbegleitenden Ausschuss und dem Arbeitskreis noch eine größere Community aufbauen können und so neben der Intralogistikhersteller-Seite auch das Feedback und die Anforderungen der Anwenderseite mit einarbeiten können. Um mal eine gängige Redewendung neu zu denken: viele Köche verderben gerade hier nicht den Brei, sondern verbessern die Rezeptur. Es geht darum, möglichst beide Perspektiven abzudecken.
Jetzt habt ihr eben schon den projektbegleitenden Ausschuss und den Arbeitskreis erwähnt. Diese Konstellation ist so für Forschungsprojekte nicht unbedingt gängig. Warum arbeitet ihr so?
Dennis Lünsch:
Wir sind wie eben schon erwähnt, sehr stark auf die Anforderungen und Bedarfe aus der Industrie angewiesen. Das gilt sowohl für die Anbieter- als auch für die Anwenderseite. Das heißt, für dieses Projekt ist ein besonders intensiver Austausch notwendig. Wir haben mit den bisher beteiligten Unternehmensvertretern gemeinsam eine Lösung gefunden, wie wir uns austauschen möchten – nämlich in einem vierteljährlichen Turnus. Und zusätzlich ist jederzeit über das GitHub Repository ein offener Austausch für alle Interessierten möglich, ebenso sind wir offen für neue projektinteressierte Partner.
Ihr habt mit dem projektbegleitenden Ausschuss ein Kick-Off veranstaltet. Warum und welche Ergebnisse hat das gebracht?
Sven Franke:
Zum einen haben wir damit das Projekt ganz offiziell gestartet und zum anderen wollten wir eine Diskussion anstoßen. Wir sind in Arbeitspaket 1 bei der Anforderungsanalyse und haben dafür natürlich diverse Vorgespräche gehabt. Es gibt also schon einige Vorstellungen davon, wie dieses Projekt aussehen könnte und diese haben wir in einem Vorschlag zusammengefasst zum Kick-Off mitgebracht, diskutiert und weiterbearbeitet, in dem wir bspw. direkt Rahmenbedingungen festgelegt haben. Das war ein sehr wertvoller Austausch für uns und die Offenheit und Bereitschaft der Industrievertreter hat uns wirklich positiv überrascht. In den Gesprächen wurde deutlich, dass der Bedarf für solch eine offene Schnittstelle sehr groß ist und dass dies auch nur in unternehmensübergreifender Zusammenarbeit gelingen kann.
Vielen Dank für das Gespräch Dennis und Sven. Euch gutes Gelingen für M2X.